Stil, Eleganz und andere Äußerlichkeiten als Quellen des Trostes

„Niemand gelangt ohne weiteres zur Frivolität. Sie ist ein Privileg und eine Kunst; sie ist die Bemühung um Oberflächlichkeit aller jener, die Gewißheiten verabscheuen, weil sie deren Unmöglichkeit eingesehen haben. Sie ist das Forteilen von Abgründen, die, da sie naturgemäß keinen Boden haben, nirgendwohin führen können.
Indessen, es bleibt die ‚äußere Gestalt‘: warum sollte man sie nicht zu einem Stil erheben? Hier liegt das Kriterium für die Vernunft einer Epoche. Man gelangt dahin, daß man dem Ausdruck mehr Reiz abgewinnt als der Seele, die ihn trägt, daß man Anmut höher wertet als Einfühlung und selbst bei Gemütsbewegungen auf ‚Schliff‘ achtet. Der sich selbst Überlassene, derjenige, der nicht auf seine Eleganz achtet, ist ein Ungeheuer: in seinem Innern gibt es nur finstere Bereiche, wo Schrecken und Verneinung drohend ihr Wesen treiben. Von allen seinen Lebenskräften darüber belehrt werden, daß man stirbt, und dies nicht verbergen können, heißt ein Barbar sein.“

Emil Cioran: Lehre vom Zerfall, S. 13 f.

Unter diesem Aspekt gilt: „Das Zeitalter des Alkibiades und das achtzehnte Jahrhundert in Frankreich sind zwei Quellen des Trostes.“ (Ebd., S. 13)

Was also, könnte man verallgemeinernd fragen, haben „Äußerlichkeiten“ mit Tröstung zu tun? Welches Trost-Potential liegt in einem sorgfältig gewählten, stilistisch überzeugenden, um nicht zu sagen: eleganten Outfit, in einer aufgeräumten und sauberen Wohnung, in einer Frisur, die den Namen verdient, in einem gepflegten und mit Bedacht angelegten Garten und so weiter und so fort? Halte die Ordnung und die Ordnung hält dich, habe ich vor Jahrzehnten jemanden voller Verachtung für solch altbacken-faschistoides Gerede sagen bzw. zitieren hören. Hatte er mit seiner Geringschätzung der sogenannten Sekundärtugend Ordnungsliebe recht? Nein, hatte er nicht. Allerdings besteht im Ernstfall dann wohl die Schwierigkeit oft darin, nicht passiv in der Untröstlichkeit zu verharren, sondern die Bude aufzuräumen und das Geschirr abzuwaschen, statt durch die Kultivierung von Schmutz und Unordnung die Depression zu einer nachhaltigen zu machen.

Bekömmliche Kombination

Settembrinis Trost in alternativer Form – beim Verdauen des einen hilft jeweils das andere. Aber von beidem sollte man nicht zuviel auf einmal zu sich nehmen.

Sleepless (and unconsolable) in Paris: Emil Cioran

Wen die Wahrheit, dass es keinen Trost gibt, nicht tröstet, für den gibt es keinen Trost, hätte der aus Rumänien stammende französische Philosoph Emil Cioran vielleicht gesagt. Untröstliche Gedanken, ins Extrem gesteigert, schlagen um ins Tröstliche. Die Youtube-Fassung einer halbstündigen SWR2-Sendung (sie ist keine Minute zu lang) am Ende dieses Beitrags ist ein Muss für jeden Trostforscher.

E. M. Cioran (1911-1995):

„Wer zum Geistigen strebt, wird das Scheitern höher stellen als jeden Erfolg. Denn das wesentliche Scheitern enthüllt uns selber, gestattet uns, uns zu sehen, wie Gott uns sieht, während der Erfolg uns von dem entfernt, was in uns und in allem am innerlichsten ist. Nur eines zählt: ein Verlierer zu sein.“

„Keine Idee kann Trost sein im Dunkel, kein System und keine Gewissheit hält den durchwachten Nächten stand. Es gibt Seelen, die krank sind durch Nächte, von denen sie niemals genesen werden.“

„Diese Wutanfälle, dieses Bedürfnis zu explodieren, jemandem in die Fresse zu schlagen – wie soll man dem Herr werden? Man braucht auf der Stelle einen kleinen Gang über den Friedhof oder besser noch, einen endgültigen.“

Die Zitate stammen aus einem Manuskript zu einer Sendung des Deutschlandfunks am 23.11.2016.