Die Frage nach dem Trost als erste Frage im Heidelberg Katechismus

Wenn man ihn beim Wort nimmt, dann ist ein Katechismus eine Stimme, die von oben kommt. Typisch für die schriftliche Form des Katechismus im christlichen Kontext ist es, dass die Stimme immer wieder Fragen stellte und sie gleich selbst beantwortet.

Die erste Frage im sogenannten Heidelberger Katechismus (ab 1563) ist die Frage nach dem Trost im Leben und im Sterben: „Was ist dein einiger trost in leben vnd in sterben“. Und die Antwort: „Daß ich mit Leib vnd Seel / beyde in leben vnd in sterben / nicht mein / sonder meines getrewen Heilands Jesu Christi eigen bin / der mit seinem thewren blut / fuer alle meine suenden volkomlich bezalet / vnd mich auß allem gwalt des Teufels erloeset hat / vnd also bewaret / daß ohne den willen meines Vaters im himmel / kein haar von meinem haupt kan fallen / ja auch mir alles zu meiner seligkeit dienen muß. Darumb er mich auch durch seinen heiligen Geist des ewigen lebens versichert / vnd im forthin zu leben von hertzen willig vnd bereit macht.“

Quelle 3: In der Ruhe liegt nicht nur die Kraft, sondern auch der Trost

„Sieh, wie alles so still ist drüben in der Unendlichkeit, wie leise ziehen die Welten, wie still schimmern die Sonnen! Der große Ewige ruht wie eine Quelle, mit seiner überfließenden unendlichen Liebe mitten unter ihnen und erquickt und beruhigt alles.“

Johann Paul Friedrich Richter alias Jean Paul

Still ist es in der Unendlichkeit! Leise ziehen die Welten! Still schimmern die Sonnen! Wie eine Quelle ruht der Ewige Beruhiger! Tröstung ist Beruhigung, in der Ruhe und Stille liegt Trost.

Ernst Joachim Förster: Jean Paul dichtet in seiner Gartenlaube in Bayreuth (ca. 1820)

Vom Kelch des Trostes

Die eine spezifisch christliche und potentiell tröstliche Antwort auf die Frage nach dem (christlichen) Trost und den Möglichkeiten der (christlichen) Tröstung scheint es zunächst nicht zu geben. Die Auskunft, dass der christliche Glaube selbst als Daseins-Modus des Ein-für-alle-mal-getröstet-Seins (unter der Bedingung des vorbehaltlosen Vertrauens in Gott) nur ein anderes Wort für Trost sei, führt geradewegs in die Endlosschleifen der Tautologie. Wer als Trost nur alles (Gott) zu bieten hat, hat für hier und jetzt erklärtermaßen nichts zu bieten. Auch der Hinweis darauf, dass der christliche Gott in der Passion des zu Tröstenden zwar in höchstem Maße mitleidend, doch fürs erste machtlos gegenwärtig sei, wirkt auf Trostsuchende, die mit den christlichen Dogmen wenig bis gar nicht vertraut sind (was wohl auch für die meisten sogenannten Christen gilt), eher irritierend als tröstlich.

Dennoch gibt es womöglich etwas, was das Christentum metaphorisch und real zugleich zu bieten, um nicht zu sagen: darzureichen hat. Es ist dies der Becher des Trostes, in dem sich wahlweise oder als immateriell-materielles Konglomerat menschlicher Zuspruch, konkrete Hilfe aller Art, heißer Tee oder vergorener Traubensaft befinden könnten. Im von Christian Schütz herausgegebenen Praktischen Lexikon der Spiritualität (Freiburg 1992) findet man zum Symbol des Trostbechers diese Ausführungen:

„Das ganzheitliche biblische Verständnis des Trostes (in Wort und Tat) findet seinen zeichenhaften Ausdruck in der Übergabe des ‚Trostbechers‘, den der Tröstende dem Trauernden überreicht. Dabei kann auch Brot gegessen werden. Dieses Symbolhandeln gewinnt im Abendmahl Jesu mit den Jüngern seine wohl letztmögliche soteriologische und eschatologische Dimension. Der Becher des Heils ist ein Becher des Trostes: des Zuspruchs der gegenwärtigen und zukünftigen Gnade und des Erbarmens des menschgewordenen Gottes in der bestehenden geschichtlichen und persönlichen Situation mit dem Anspruch, die Verkündigung des ‚Todes des Herrn‘ und seiner Auferstehung, ‚bis er wiederkommt‘, in die Gegenwart als ein Handeln einzubringen, das sich an der Geschwisterlichkeit des verkündigten Jesus Christus orientiert.“

Das Gegenstück zum Becher des Trosts ist der Kelch des Leids, im bangen Vorausblick auf welchen Jesus Christus sich vom Vater vergebens wünschte, er möge an ihm vorübergehen. Man ahnt: Trost-Becher und Passions-Kelch sehen sich im christlichen Symbolraum zum Verwechseln ähnlich. Wo der Becher des Trosts gereicht wird, muss immer auch der Kelch des Mitleidens geleert werden. Trost und Leid sind die zwei Seiten derselben religiösen Medaille, Passion, Tröstung und christlicher Glaube bilden die dreifache Schnur, von der es in Prediger 4, Vers 12 heißt, sie reiße nicht leicht entzwei.

Ich danke Dr. theol. Matthias Wörther für seine fachkundige Zitatauswahl und für die Liste der folgenden Nachschlagewerke (für die Schlüsse, die ich aufgrund der Lektüre gezogen habe, trage ich natürlich die alleinige Verantwortung):

Praktisches Bibellexikon, 2. Auflage, Freiburg 1977

K. Rahner / H. Vorgrimler: Kleines theologisches Wörterbuch, 11. Auflage, Freiburg 1978

Christian Schütz (Hrsg.): Praktisches Lexikon der Spiritualität, Freiburg 1992

Prof. Dr. Peter Riede: Trost/Tröster/trösten, in: Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), permanenter Link zum Artikel

Leonardo da Vinci: Das Abendmahl, 1494-97, 422 x 904 cm

Du Trost der Betrübten: Maria Consolatrix afflictorum

Gnadenbild der Muttergottes von Kevelaer, Kupferstich 1640

In der aus dem Mittelalter stammenden Lauretanischen Litanei (i. e.: die Litanei von Loreto, ein in vielerlei Hinsicht bemerkens- und besuchenswerter Wallfahrtsort in den italienischen Marken) wird Maria u. a. als „Consolatrix afflictorum“, d. h. als „Trösterin der Betrübten“ oder auch „Trost der Betrübten“ tituliert.

Kevelaer am Niederrhein gehört zu den bekannteren Wallfahrtsorten der Trösterin. Der oben abgebildete Kupferstich ist seinerseits die Abbildung eines Bildnisses. Er zeigt (in ziemlich freier Nachbildung) eine aus Lindenholz geschnitzte Statue, die in Luxemburg seit dem 17. Jahrhundert im Rahmen einer vorösterlichen Wallfahrt verehrt wird.

Oben habe ich durchblicken lassen, dass ich selbst auch einmal eine eher touristisch gemeinte (Wall-)Fahrt nach Loreto unternommen habe. Meine Frau und ich besuchten den Ort 2009 während unseres Sommerurlaubs in den schönen Marken. Die Mischung aus merkantilem Treiben und ostentativ gelebtem Glauben hat uns beeindruckt. Da es hier um das Thema Trost und Trösten geht, erlaube ich mir, eine Passage aus unserem damals gemeinsam verfassten Reisetagebuch wiederzugeben. Schauplatz der geschilderten Szene ist die Wallfahrtskirche, die Basilika vom Heiligen Haus (in letzterem war Maria in Nazareth aufgewachsen, aber das ist eine andere Geschichte):

„Eine große Zahl der reichlich vorhandenen Beichtstühle ist sozusagen in Betrieb, sie aufzusuchen scheint das Selbstverständlichste von der Welt zu sein. Ein alter Priester mit weißem Bart sitzt im erhöht angebrachten, offenen Absolutionsmöbel und spricht mit einer Frau, die, zu ihm aufschauend, vor ihm steht, die gefalteten Hände auf eine Armlehne gestützt. Während sie miteinander reden, bekräftigt er seine Worte mit sanftem Schulterklopfen – eine zu Herzen gehende, sinnbildhafte Szene des erkennbar nicht auf Augenhöhe gespendeten Trostes, deren Wert und Wahrheit uns über jede noch so schlüssige Religionskritik erhaben zu sein scheint.“

Im Augustinerorden ist der 4. September der Festtag für „Maria, Mutter des Trostes“ und in bestimmten Regionen ist der Samstag nach dem 28. August (Fest des Heiligen Augustinus) der „Tag der Maria vom Trost“.