Du Trost der Betrübten: Maria Consolatrix afflictorum

Gnadenbild der Muttergottes von Kevelaer, Kupferstich 1640

In der aus dem Mittelalter stammenden Lauretanischen Litanei (i. e.: die Litanei von Loreto, ein in vielerlei Hinsicht bemerkens- und besuchenswerter Wallfahrtsort in den italienischen Marken) wird Maria u. a. als „Consolatrix afflictorum“, d. h. als „Trösterin der Betrübten“ oder auch „Trost der Betrübten“ tituliert.

Kevelaer am Niederrhein gehört zu den bekannteren Wallfahrtsorten der Trösterin. Der oben abgebildete Kupferstich ist seinerseits die Abbildung eines Bildnisses. Er zeigt (in ziemlich freier Nachbildung) eine aus Lindenholz geschnitzte Statue, die in Luxemburg seit dem 17. Jahrhundert im Rahmen einer vorösterlichen Wallfahrt verehrt wird.

Oben habe ich durchblicken lassen, dass ich selbst auch einmal eine eher touristisch gemeinte (Wall-)Fahrt nach Loreto unternommen habe. Meine Frau und ich besuchten den Ort 2009 während unseres Sommerurlaubs in den schönen Marken. Die Mischung aus merkantilem Treiben und ostentativ gelebtem Glauben hat uns beeindruckt. Da es hier um das Thema Trost und Trösten geht, erlaube ich mir, eine Passage aus unserem damals gemeinsam verfassten Reisetagebuch wiederzugeben. Schauplatz der geschilderten Szene ist die Wallfahrtskirche, die Basilika vom Heiligen Haus (in letzterem war Maria in Nazareth aufgewachsen, aber das ist eine andere Geschichte):

„Eine große Zahl der reichlich vorhandenen Beichtstühle ist sozusagen in Betrieb, sie aufzusuchen scheint das Selbstverständlichste von der Welt zu sein. Ein alter Priester mit weißem Bart sitzt im erhöht angebrachten, offenen Absolutionsmöbel und spricht mit einer Frau, die, zu ihm aufschauend, vor ihm steht, die gefalteten Hände auf eine Armlehne gestützt. Während sie miteinander reden, bekräftigt er seine Worte mit sanftem Schulterklopfen – eine zu Herzen gehende, sinnbildhafte Szene des erkennbar nicht auf Augenhöhe gespendeten Trostes, deren Wert und Wahrheit uns über jede noch so schlüssige Religionskritik erhaben zu sein scheint.“

Im Augustinerorden ist der 4. September der Festtag für „Maria, Mutter des Trostes“ und in bestimmten Regionen ist der Samstag nach dem 28. August (Fest des Heiligen Augustinus) der „Tag der Maria vom Trost“.

Zur Semantik und Etymologie von „Trost“

ich hân trôst daz mir noch fröide bringe
der ich mînen kumber hân geklaget.

(Ich bin voller Zuversicht, dass diejenige mir noch Freude bereiten wird,
der ich mein Leid geklagt habe.)

Walther von der Vogelweide: Neue hohe Minne (1210-1220)

Die Frage nach dem Wesen des Trosts ist von der Frage nach der Bedeutung des Wortes Trost nicht zu trennen. Die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks ist ein anderer sprachlicher Ausdruck, pflegte einer meiner Heidelberger Professoren zu sagen, er war bzw. ist Lexikologe, also Spezialist für Wörterbücher. „Das Deutsche Wörterbuch (DWB) ist das größte und umfassendste Wörterbuch zur deutschen Sprache seit dem 16. Jahrhundert“ sagt Wikipedia. Unter dem Stichwort Trost findet sich dort u. a.:

„Trost“ ist verwandt mit dem altnordischen „traust“, das „Sicherheit, Zuversicht, Mut“, aber auch „Hilfe“ und „Schutz“ bedeutet.

Aus dem Nordischen entlehnt ist das mittelenglische „trust“. Noch im gleichlautenden neuenglischen Wort ist die alte Bedeutung „Vertrauen“ festgehalten.

Vielleicht nicht nur für mich interessant: das alte Wort „traust“ (s. o.) weist zurück auf ein indogermanisches Wort, das „Kernholz, Festigkeit“ bedeutet. (Das gotische „triu“ heißt „Baum“ – ich denke dabei an englisch „tree“ und deutsch „treu“.)

Das Wort Trost ist „seinem eigentlichen wesen nach mehr ein wort der literatur als der umgangssprache und der mundarten“, weshalb „die dialektischen abweichungen in der lautform verhältnismäszig gering“ sind.

Die etymologische Verwandtschaft mit „trauen“ wird deutlich, wenn man „Trost“ paraphrasiert mit „festigkeit, aus welcher sicherheit und weiterhin, als subjektives gefühl sich äuszernd, zuversicht und vertrauen entspringt“.

Die heutige (oder beinahe heutige – der Artikel wurde Mitte des 19. Jahrhunderts verfasst) Bedeutung von „Trost“ kann man umschreiben mit „Festigkeit, die durch Zuspruch als seelische Stärkung gegeben oder erhalten wird“. Diese neuere Bedeutung „die trost weniger als sichtbare hilfe denn als seelische stärkung zeigt“, erwächst aus der religiösen Verwendung des Wortes, die das ganze Mittelalter durchzieht, und in der „die alten bedeutungen gleichsam mit aufgesogen sind“.

Den ganzen Wörterbuch-Artikel der Brüder Grimm findet man hier.

Ein Quäntchen Trost von Peter Strasser

Wer auf der Suche nicht nach Trost, sondern nach dessen Begriff die Suchfunktion des Online-Katalogs einer großen Bibliothek (beispielsweise der Badischen Landesbibliothek) in Anspruch nimmt, wird eher früher als später auf den Trost der Philosophie des spätantiken römischen Philosophen Boethius stoßen. Aber nicht von diesem fiktiv-realen Dialog des antiken Philosophen mit der inkarnierten (antiken) Philosophie soll die Rede sein (jedenfalls noch nicht), sondern von jenem Quäntchen Trost, das, wie der Titel verrät, der noch lebende österreichische Philosoph Peter Strasser in einem 135 Seiten schmalen Bändchen (Untertitel: Nachträge zur Glückseligkeit) dem Leser zu verabreichen sich vorgenommen hat.

Was Strasser Boethius und der auf ihn folgenden Philosophie bis hin zur Neuzeit und Moderne vorwirft, ist eben dasjenige, worauf sie sich selbst so viel zugute hält: ihre begriffliche Explizitheit, ihre intendierte Klarheit, ihre geistige (tatsächliche oder vermeintliche) Schattenlosigkeit. Wo „auch noch das letzte Geheimnis, das mysterium mysteriorum, auf die grell erleuchtete Begriffsbühne“ gehoben wird, sind „Gedankenschleier, Metapher und Poesie“ als Bedingung der Möglichkeit des Getröstet-Werdens um ihre Daseinsberechtigung gebracht. Die intellektuelle Gnadenlosigkeit (wie ich sagen würde) der Philosophie bei und nach Boethius ist nach Strasser schuld daran, dass wir durch die Philosophen im allgemeinen so wenig Trost erfahren. Strasser will aber „den Gedanken einer Tröstung durch Philosophie“ nicht aufgeben:

„Es soll ein Rahmen skizziert werden, in dem eine Neubesinnung der Philosophie immerhin möglich schiene. Ein Wesensziel der einst vielbeschworenen Liebe zur Weisheit bestünde demnach darin, unserem trostlosen Ganzen ein ‚Quäntchen Trost‘ entgegenzusetzen. Dies freilich sollte geschehen, ohne bloß substanzlos ‚trösterisch‘ zu agieren. Denn solch gefühliger Trost würde ja nichts weiter bewirken, als dem höheren Gefühlskitsch Vorschub zu leisten.“ (S. 11)

Der hohe, geistige Trost der Philosophie wird dem bloß „trösterischen“ und „gefühligen“ Trost an oder auch jenseits der Grenze zum „Gefühlskitsch“ gegenübergestellt und in scharfer Distanzierung von diesem unterschieden. Bei aller Wertschätzung für den Autor und sein Werk (dessen Lektüre ich hiermit empfehlen möchte) meine ich, diese anti-populistische verbale Bekreuzigung wäre nicht nötig gewesen. Wer tröstet, tröstet – und was Trost spendet, spendet Trost. Und jeder, der schon einmal bis über beide Ohren verliebt oder tieftraurig oder beides zugleich gewesen ist, weiß, dass in extremen Gefühlslagen die Unterscheidung zwischen Kitsch und Nicht-Kitsch irrelevant wird.

Peter Strasser: Ein Quäntchen Trost. Nachträge zur Glückseligkeit. Paderborn 2015 (Wilhelm Fink Verlag), 135 Seiten

Komm, Trost der Welt, du stille Nacht!

Joseph von Eichendorff (1788-1857)
Der Einsiedler

Komm, Trost der Welt, du stille Nacht!
Wie steigst du von den Bergen sacht,
Die Lüfte alle schlafen,
Ein Schiffer nur noch, wandermüd,
Singt übers Meer sein Abendlied
Zu Gottes Lob im Hafen.

Die Jahre wie die Wolken gehn
Und lassen mich hier einsam stehn,
Die Welt hat mich vergessen,
Da tratst du wunderbar zu mir,
Wenn ich beim Waldesrauschen hier
Gedankenvoll gesessen.

O Trost der Welt, du stille Nacht!
Der Tag hat mich so müd gemacht,
Das weite Meer schon dunkelt,
Lass ausruhn mich von Lust und Not,
Bis dass das ew’ge Morgenrot
Den stillen Wald durchfunkelt.

Wikipedia-Artikel zur Lyrik Joseph von Eichendorffs