Von „comfort“ bis Southern Comfort

Während das Deutsche nur eine Art des Trosts (nämlich den, den wir „Trost“ nennen) zu kennen scheint, gibt es im englischen Sprachraum den Trost, den man meint, wenn man von „comfort“ spricht, und jenen, auf den man sich mit „consolation“ oder „solace“ bezieht. Oder ist das ein und derselbe Trost – und wenn ja: wie heißt er?

Aus dem Labyrinth sprachphilosophischer Erwägung kommen wir, wenn überhaupt, nur auf dem Wege der Promotion und Habilitation wieder heraus. Deshalb an dieser Stelle nur soviel: „comfort“ meint neben „Trost“ auch „Komfort“, „Annehmlichkeit“, „Bequemlichkeit“ („a comfortable chair“ ist kein Beichtstuhl, sondern im Gegenteil ein bequemer Stuhl). Man kann zwar einen „consolation prize“ gewinnen, nicht aber einen „comfort prize“, ansonsten wird, wenn ich es recht sehe, in umgangssprachlichen Wendungen der Gebrauch von „comfort“ demjenigen von „consolation“ oder „solace“ vorgezogen.

Wäre „comfort“ der unaufwendige, beinahe lakonisch-alltägliche Trost, würde es sich bei dem mit den lateinischen Vorfahren um die eloquent-viersilbige Variante für Sonn- und Feiertage handeln. Mit dieser These gut in Einklang zu bringen wäre die Tatsache der Verwendung von „comfort“ zur Bezeichnung eines Getränks, das in der Hausbar des Melancholikers nicht fehlen darf. „Es ist ein Brauch von Alters her: Wer Sorgen hat, hat auch Likör“: Und wer nicht davor zurückschreckt, sich mit Likör zu trösten, landet vielleicht irgendwann auch einmal beim Trost des Südens, beim Southern Comfort – zunächst (wenn Wikipedia recht hat) ein 1874 von einem irischen Barkeeper in New Orleans erfundener Cocktail, doch wenig später schon ein Trost aus der Flasche, der nach Whisky, Pfirsich, Orange, Vanille, Zimt und dunkler Schokolade schmeckte und noch immer schmeckt. Dass das schmeckt, kann ich mir allerdings nicht vorstellen. Doch wie pflegte eine frühere Kommilitonin zu sagen: Hauptsache, es knallt in der Birne und Senft an der Decke (ja, das war damals in Berlin).

„Es ist ein Brauch von Alters her: Wer Sorgen hat, hat auch Likör“ – das Zitat stammt bekanntermaßen aus Wilhelm Buschs Geschichte von der frommen(!) Helene. Kaum jemand kennt jedoch den Satz, der darauf folgt: „Doch wer zufrieden und vergnügt, sieht zu, daß er auch welchen kriegt.“ Merke: Manche Art von Trost ist nicht nur etwas für die Trostbedürftigen.

Zur Semantik und Etymologie von „Trost“

ich hân trôst daz mir noch fröide bringe
der ich mînen kumber hân geklaget.

(Ich bin voller Zuversicht, dass diejenige mir noch Freude bereiten wird,
der ich mein Leid geklagt habe.)

Walther von der Vogelweide: Neue hohe Minne (1210-1220)

Die Frage nach dem Wesen des Trosts ist von der Frage nach der Bedeutung des Wortes Trost nicht zu trennen. Die Bedeutung eines sprachlichen Ausdrucks ist ein anderer sprachlicher Ausdruck, pflegte einer meiner Heidelberger Professoren zu sagen, er war bzw. ist Lexikologe, also Spezialist für Wörterbücher. „Das Deutsche Wörterbuch (DWB) ist das größte und umfassendste Wörterbuch zur deutschen Sprache seit dem 16. Jahrhundert“ sagt Wikipedia. Unter dem Stichwort Trost findet sich dort u. a.:

„Trost“ ist verwandt mit dem altnordischen „traust“, das „Sicherheit, Zuversicht, Mut“, aber auch „Hilfe“ und „Schutz“ bedeutet.

Aus dem Nordischen entlehnt ist das mittelenglische „trust“. Noch im gleichlautenden neuenglischen Wort ist die alte Bedeutung „Vertrauen“ festgehalten.

Vielleicht nicht nur für mich interessant: das alte Wort „traust“ (s. o.) weist zurück auf ein indogermanisches Wort, das „Kernholz, Festigkeit“ bedeutet. (Das gotische „triu“ heißt „Baum“ – ich denke dabei an englisch „tree“ und deutsch „treu“.)

Das Wort Trost ist „seinem eigentlichen wesen nach mehr ein wort der literatur als der umgangssprache und der mundarten“, weshalb „die dialektischen abweichungen in der lautform verhältnismäszig gering“ sind.

Die etymologische Verwandtschaft mit „trauen“ wird deutlich, wenn man „Trost“ paraphrasiert mit „festigkeit, aus welcher sicherheit und weiterhin, als subjektives gefühl sich äuszernd, zuversicht und vertrauen entspringt“.

Die heutige (oder beinahe heutige – der Artikel wurde Mitte des 19. Jahrhunderts verfasst) Bedeutung von „Trost“ kann man umschreiben mit „Festigkeit, die durch Zuspruch als seelische Stärkung gegeben oder erhalten wird“. Diese neuere Bedeutung „die trost weniger als sichtbare hilfe denn als seelische stärkung zeigt“, erwächst aus der religiösen Verwendung des Wortes, die das ganze Mittelalter durchzieht, und in der „die alten bedeutungen gleichsam mit aufgesogen sind“.

Den ganzen Wörterbuch-Artikel der Brüder Grimm findet man hier.