Die eine spezifisch christliche und potentiell tröstliche Antwort auf die Frage nach dem (christlichen) Trost und den Möglichkeiten der (christlichen) Tröstung scheint es zunächst nicht zu geben. Die Auskunft, dass der christliche Glaube selbst als Daseins-Modus des Ein-für-alle-mal-getröstet-Seins (unter der Bedingung des vorbehaltlosen Vertrauens in Gott) nur ein anderes Wort für Trost sei, führt geradewegs in die Endlosschleifen der Tautologie. Wer als Trost nur alles (Gott) zu bieten hat, hat für hier und jetzt erklärtermaßen nichts zu bieten. Auch der Hinweis darauf, dass der christliche Gott in der Passion des zu Tröstenden zwar in höchstem Maße mitleidend, doch fürs erste machtlos gegenwärtig sei, wirkt auf Trostsuchende, die mit den christlichen Dogmen wenig bis gar nicht vertraut sind (was wohl auch für die meisten sogenannten Christen gilt), eher irritierend als tröstlich.
Dennoch gibt es womöglich etwas, was das Christentum metaphorisch und real zugleich zu bieten, um nicht zu sagen: darzureichen hat. Es ist dies der Becher des Trostes, in dem sich wahlweise oder als immateriell-materielles Konglomerat menschlicher Zuspruch, konkrete Hilfe aller Art, heißer Tee oder vergorener Traubensaft befinden könnten. Im von Christian Schütz herausgegebenen Praktischen Lexikon der Spiritualität (Freiburg 1992) findet man zum Symbol des Trostbechers diese Ausführungen:
„Das ganzheitliche biblische Verständnis des Trostes (in Wort und Tat) findet seinen zeichenhaften Ausdruck in der Übergabe des ‚Trostbechers‘, den der Tröstende dem Trauernden überreicht. Dabei kann auch Brot gegessen werden. Dieses Symbolhandeln gewinnt im Abendmahl Jesu mit den Jüngern seine wohl letztmögliche soteriologische und eschatologische Dimension. Der Becher des Heils ist ein Becher des Trostes: des Zuspruchs der gegenwärtigen und zukünftigen Gnade und des Erbarmens des menschgewordenen Gottes in der bestehenden geschichtlichen und persönlichen Situation mit dem Anspruch, die Verkündigung des ‚Todes des Herrn‘ und seiner Auferstehung, ‚bis er wiederkommt‘, in die Gegenwart als ein Handeln einzubringen, das sich an der Geschwisterlichkeit des verkündigten Jesus Christus orientiert.“
Das Gegenstück zum Becher des Trosts ist der Kelch des Leids, im bangen Vorausblick auf welchen Jesus Christus sich vom Vater vergebens wünschte, er möge an ihm vorübergehen. Man ahnt: Trost-Becher und Passions-Kelch sehen sich im christlichen Symbolraum zum Verwechseln ähnlich. Wo der Becher des Trosts gereicht wird, muss immer auch der Kelch des Mitleidens geleert werden. Trost und Leid sind die zwei Seiten derselben religiösen Medaille, Passion, Tröstung und christlicher Glaube bilden die dreifache Schnur, von der es in Prediger 4, Vers 12 heißt, sie reiße nicht leicht entzwei.
Ich danke Dr. theol. Matthias Wörther für seine fachkundige Zitatauswahl und für die Liste der folgenden Nachschlagewerke (für die Schlüsse, die ich aufgrund der Lektüre gezogen habe, trage ich natürlich die alleinige Verantwortung):
Praktisches Bibellexikon, 2. Auflage, Freiburg 1977
K. Rahner / H. Vorgrimler: Kleines theologisches Wörterbuch, 11. Auflage, Freiburg 1978
Christian Schütz (Hrsg.): Praktisches Lexikon der Spiritualität, Freiburg 1992
Prof. Dr. Peter Riede: Trost/Tröster/trösten, in: Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), permanenter Link zum Artikel