Gemütvoller Trost

In seiner 1968 als Buch erschienenen Dissertation Trauer und Trost stellt Horst-Theodor Johann fest, dem deutschen Wort Trost eigne „ein Gemütston, der dem παραμυθητικóς (λóγος) wie der consolatio fremd ist.“ Ist der deutsche Trost „gemütlicher“ als der altgriechische und der römische, oder auch der Trost der Engländer und der Franzosen, deren gemeinsamer sprachlicher Ausdruck „consolation“ aufs Lateinische zurückgeht?

Die Herkunft des deutschen Wortes „Trost“ habe ich hier ein Stück weit aufzuzeigen versucht. Die emotionale Aura der Vokabel  wurde dabei nicht thematisiert. Ob die Deutschen gemütvoller trösten als die Römer bzw. Italiener, Engländer und Franzosen „consolieren“, kann und soll hier nicht entschieden werden. Wenn es nicht zu gewagt und ein wenig überstürzt wäre, würde ich in diesem Zusammenhang die These formulieren, dass eine spezielle, sozusagen evangelische Kultur des Tröstens in der Nachfolge der vom deutschen Sprachraum ausgehenden Reformation entstanden und mittlerweile von der katholischen Seelsorge ökumenisch adaptiert worden ist. Nirgends wird so hingebungs- und, wenn man so will, gemütvoll die Unauflöslichkeit der symbiotischen Verbindung von Leiden-Müssen, Trösten und Getröstet-Werden zelebriert wie in der Evangelischen Kirche. Es kommt mir so vor, als wären sämtliche irgendwann einmal vorhandenen thymotischen Energien restlos transformiert in solche eines dialektischen Eros von Leid und Tröstung. Dass die Konnotationen des Wortes Trost diese Transformation irgendwie reflektieren, liegt in der Natur der Sprache. „Gemütvoll“ wäre dann aber nicht das einzige Prädikat, das dem evangelisch gewordenen deutschen Trost bzw. „Trost“ zuzusprechen wäre.

Was Horst-Theodor Johann meint, wenn er sagt, dass unserem Wort Trost ein besonderer Gemütston eigne, verdeutlicht und illustriert möglicherweise diese tröstliche Kombination aus einem Gedicht von Ludwig Uhland und einer Radierung von Johann Wilhelm Schirmer. Gefunden habe ich sie auf der Website www.goethezeitportal.de.

Radierung von Johann Wilhelm Schirmer (geb. 1807 in Jülich, gest. 1863 in Karlsruhe)

Ludwig Uhland
Künftiger Frühling (1827)

Wohl blühet jedem Jahre
Sein Frühling mild und licht,
Auch jener große, klare –
Getrost! er fehlt dir nicht;
Er ist dir noch beschieden
Am Ziele deiner Bahn,
Du ahnest ihn hienieden,
Und droben bricht er an.