Trost-Module 4: Einen Weg des Trosts gehen

Einen Menschen, der unter einer veritablen Depression leidet, trösten zu wollen, käme einem Griff in die falsche Schublade des Großen Arzneischranks der psychologisch-psychiatrischen Hilfsmittel gleich. Statt mit Kanonen auf Spatzen, würde man mit einem Luftgewehr auf ein Nashorn schießen wollen. Dennoch sind die Depression und das durch Trost zu lindernde seelische Leid einander nicht ganz und gar unähnlich und fremd. Es gibt vermutlich sogar eine Schnittmenge der betreffenden Phänomen-Klassen. In einem Buch, in dem jemand über seine Depression (vom Autor „Miststück“ genannt), schreibt, nach Hinweisen zur möglichen Tröstung von Trostbedürftigen zu suchen, ist also wohl nicht ganz und gar abwegig.

In seinem hier schon mehrfach erwähnten Selbsterfahrungsbericht schreibt Alexander Wendt: „Depression im einsamen, unbehandelten rohen Zustand bedeutet, im Kreis zu laufen, wobei der Radius sich enger und enger zieht.“ (Wendt 2016, S. 91) Die Erfahrung des trostlosen und untröstlichen Im-Kreis-Gehens ist auch dem Trostbedürftigen (wie jeder aus eigener Erfahrung wissen wird) nicht fremd. Wäre es meine Aufgabe, eine Art Parcours der Tröstung anzulegen, dürfte demnach ein Spiral-Weg des Trosts nicht fehlen:

Man kann, ja man muss diesen Weg in beide Richtungen gehen. Erst von außen nach innen, also in die depressive Stimmung hinein, dann notwendig (und damit womöglich die Seelen-Not wenigstens im Ansatz ins Gegenteilige wendend) von innen nach außen, also aus der depressiven Gemütslage hinaus und ins Offene. Gegen das Zentrum der Spirale hin (etwa infolge gärtnerischer Maßnahmen) sollte die Enge zunehmen, während an der Peripherie eher Offenheit bzw. Öffnung erfahrbar sein würde.

Peter Riede schreibt in seinem Artikel über Trost/Tröster/trösten in: Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet:

„Zunächst einmal ist davon auszugehen, dass sowohl beim Trösten wie beim Empfinden von Leid eine Situation vorausgesetzt ist, die einen Menschen bedrückt und fast erstickt.“ „Wo die Wurzel נחם nḥm im Alten Testament verwendet wird, geht es demnach um einen Vorgang der Erleichterung, wie er z.B. im Fall einer Atemnot durch tiefes Luftholen vorausgesetzt ist. Bezogen auf die Bedeutung ‚trösten‘ ergibt sich daraus die Konsequenz, dass dieses geschieht, um einem anderen das Aufatmen und so die Rückkehr ins Leben zu ermöglichen.“

Den Weg hinein bis ins Zentrum der Spirale könnte man demnach als den Weg des Ausatmens bis hin zur Atemnot, den Weg zurück und wieder hinaus ins Offene als den des Ein- oder befreiten Aufatmens bezeichnen.

Lothar Rumold: Skizze zu einem von einer Hecke gesäumten Weg der möglichen Tröstung, 2018, Tablet-Zeichnung