Zu einer Form-Analyse des Tröstens

Auch zum Trösten gehören immer zwei: eine tröstende und eine getröstete Seite. Ziemlich abstrakt und eher technisch gesagt, haben wir es einerseits mit einem Trost-Sender bzw. Trost-Spender und andererseits einem Trost-Empfänger zu tun. Was empfangen bzw. gesendet oder gespendet wird, nennen wir Trost. Das Medium des Tröstens (faziale Interaktion, Telefongespräch, Brief-, Mail-, Whats-App- oder Chat-Kontakt, Gedankenübertragung usw. usf.) darf bei einer (hier nicht zu leistenden) vollständigen Form-Analyse nicht unberücksichtigt bleiben.

In anderer Redeweise kann man auch den Trost als Medium (das Mittlere, das Vermittelnde) des Getröstetwerdens der Zu-Tröstenden durch die Tröstenden bezeichnen.

Bis hierher habe ich mehr oder weniger explizit unterstellt, dass es sich nicht nur beim Trost-Empfänger, sondern auch beim Trost-S(p)ender um ein menschliches Wesen handelt. Könnte aber der Trost-S(p)ender nicht auch ein (äußerlich betrachtet) unbelebtes Objekt, eine Pflanze oder ein Tier sein? In diesem Fall wäre allerdings zwischen Trost-S(p)ender und Trost kein Unterschied mehr auszumachen.

Alternativ dazu, kann man etwa bei einem Kuscheltier, mit dem ein Kind getröstet wird, sagen: Die eigentliche Trösterin ist die Person oder die Personengruppe, die „hinter“ dem unbelebten Trost-Objekt steht, typischerweise also die Mutter, der Vater, die Tante, der Opa – und zwar selbst dann noch, wenn diese (Person oder Gruppe) in einer aktuellen Tröstungs-Situation gar nicht anwesend (sondern zum Beispiel ganz oder teilweise im Kino) ist. (Jeder weiß natürlich, dass ein Kuscheltier kein unbelebtes Objekt ist, aber das kann und muss hier nicht näher ausgeführt werden.)

Womit ich sagen will: Ich favorisiere ein Tröstungs-Modell, bei dem Trösten formal als Sonderfall menschlichen Handelns analysiert wird. Eine Theorie des Tröstens wäre dann Teil einer universellen Theorie des menschlichen Handelns. An diesem Modell der Tröstung als Handlung theoretisch festzuhalten, wird dort schwierig, wo zwar ein Trost-Medium (im o. g. zweiten Sinn von „Medium“), aber nicht ohne weiteres ein Trost-S(p)ender festgestellt werden kann. Wenn also ein Medikament oder eine (im Laden gekaufte) Flasche Rotwein oder irgendein symbolisches Artefakt tröstende Wirkung zeigt, dann wird man wohl nicht in erster Linie (und schon gar nicht ausschließlich) den Pharmakonzern, den Weinhändler bzw. den französischen Winzer oder den Maler, der die Ikone gemalt hat, als Trost-S(p)ender in Betracht ziehen wollen. Mein Vorschlag wäre, in solchen Fällen von einer Tröstung durch ein Kollektiv von Kultur-Trägern auszugehen – oder wenn ein solches partout nicht auszumachen ist: von einem Fall von Tröstung durch das Leben, die Natur oder durch Gott, und damit letztlich doch wieder durch das Kultur-Kollektiv, das diese „Gegenstände“ hypostasiert bzw. im kulturellen Angebot hat. (Die weltanschaulich-philosophisch-religiösen Implikation meines Modells müssen hier unausgesprochen bleiben, doch soll nicht auf den Hinweis verzichtet werden, dass es sie gibt. Das gilt übrigens für jedes Modell im Rahmen jeder Theorie.)

TS > T > TE

Die Kürzel TS, T und TE in der obigen Formel sind mit Links zu drei Extra-Seiten unterlegt, auf denen weitere Ausführungen zur jeweils gemeinten Objekt-Klasse oder -Menge zu finden sind bzw. in Bälde zu finden sein werden.

P. S.: Ein weiterer Versuch im Rahmen einer Theorie des Trostes müsste sich mit der Frage befassen, ob beim hier skizzierten bipolaren Tröstungs-Modell am S(p)ender-Pol wirklich nur Aktivisten und am Empfänger-Pol wirklich nur (wie es die Ausdrucksseite der Begriffe suggeriert) passiv Empfangende zu denken sind. Aber das nur nebenbei.